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Sieben IBK-Förderpreise an Kulturschaffende der Sparte Dramatische Texte überreicht

09. November 2016

Die Internationale Bodensee Konferenz (IBK) verleiht ihre Förderpreise im Jahr 2016 in der Sparte Dramatische Texte (Theaterstücke, Hörspiele, Drehbücher). Die mit jeweils 10.000 Schweizer Franken dotierten Preise wurden heute (Mittwoch, den 9. November) feierlich in der Zürcher Hochschule der Künste vom IBK-Vorsitzenden und Vorsteher der Finanzdirektion des Kantons Zürich, Regierungsrat Ernst Stocker, überreicht.
 
Regierungsrat Ernst Stocker, Vorsteher der Finanzdirektion des Kantons Zürich und IBK-Vorsitzender 2016, betonte in seinem Grußwort die Bedeutung der verbindenden Gemeinsamkeiten im Bodenseeraum, wie die alemannischen Dialekte: „Die vielfältigen dramatischen Texte, die wir heute hier auszeichnen, fussen auf diesem gemeinsamen sprachlichen und kulturellen Fundament."
Margrit Bürer, Leiterin des Amtes für Kultur des Kantons Appenzell Ausserrhoden und Vorsitzende der IBK-Kommission Kultur sagte zu den in diesem Jahr ausgezeichneten Künstlerinnen und Künstlern der Sparte Dramatische Texte: "Sie stehen wohl im Programmheft, oder im Abspann, doch selten im Rampenlicht. Ohne ihre Ideen, Texte und Geschichten gäbe es keine Theaterstücke, keine Spielfilme, keine Hörspiele: unvorstellbar."
Die diesjährige Juryvorsitzende, Dr. Madeleine Herzog, Leiterin der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich und Mitglied der IBK-Kommission Kultur hob den internationalen Kulturraum Bodensee hervor: „Aus der Sicht der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich ist die IBK ein Glücksfall: sie öffnet uns nicht nur den Blick in die Ostschweiz, sondern auch die Türen zu unseren Nachbarländern im Norden und Osten. Damit entsteht ein Kulturraum mit neuen Konturen, der neue Begegnungen möglich macht."
 
Sieben Förderpreise für Kunstschaffende der Sparte Dramatische Texte
Die Preisträgerinnen und Preisträger wurden von einer internationalen Fachjury aus insgesamt 18 Nominationen ausgewählt. Die sieben jeweils mit 10.000 Schweizer Franken dotierten Förderpreise wurden heute in der Zürcher Hochschule der Künste überreicht an:

Nuran David Calis, nominiert vom Freistaat Bayern. Auszug aus der Jurybegründung: »„Die Gottesleugner" von Nuran David Calis ist ein starker Text. […] Nuran David Calis erzählt eine Genealogie der Gewalt, denn Gewalt pflanzt sich fort, wenn sie nicht aufgearbeitet, wenn sie geleugnet oder ignoriert wird, im Individuellen wie im Gesellschaftlichen. Damit setzt er ein klares Statement und hat den IBK-Preis mehr als verdient.«

Karin Enzler, nominiert vom Kanton Appenzell Innerrhoden. Auszug aus der Jurybegründung: »Enzlers Mundart ist musikalisch, der Wortschatz reich mit teils alten, dem Untergang geweihten Wörtern. „Ein Heimatabend", wie sich das Stück im Untertitel nennt, ist es insofern, als die Heimat und die Heimatsprache gesucht, entbehrt und, trotz aller Brüche, auch begehrt wird. […] In Karin Enzler hat die Jury eine neue, manchmal rohe, manchmal melancholische, jedenfalls unverschliffene Bühnenstimme kennengelernt; eine Autorin, die Worte und Bilder findet für das Fremde im Eigenen.«

Daniela Janjic, nominiert vom Kanton Zürich. Auszug aus der Jurybegründung: »Daniela Janjic schafft es, auf beeindruckende Weise eine sachliche, bescheidene Zeitzeugin und trotzdem eine dramatische Erzählerin voller Empathie zu sein. Sie versucht, die Vielschichtigkeit und die Widersprüche der Flüchtlingsfrage und die Neuordnung unserer Gesellschaft in ihrer Unschärfe scharf zu umreißen, und entlarvt damit die tragische Dimension von der Unzulänglichkeit des Menschen: Poetisch. Roh. Grausam. Die Finger unaufgeregt tief in die Wunde treibend. Schonungslos.«

Simon Jaquemet, nominiert vom Kanton Zürich. Auszug aus der Jurybegründung: »Jaquemet erforscht obsessiv den Moment, wo sich die Wut eines Jugendlichen an seiner Mutter, seinem Vater entlädt. Diese Wut ist nicht mit simpler Psychologie herzuleiten und ihr Ausbruch ist keine Lösung für den Helden. Aber sie findet statt, sie muss sein. Und sie ist brutal. Familie ist in Jaquemets bisherigem Werk wie eine Haftanstalt, mindestens der Ort, wo ausgerechnet die wichtigsten Dinge unverstanden bleiben. Und dieses Unverstandene ist ein grosser dunkler Teich, aus dem Jaquemet auch sein neues Drehbuch geangelt hat.«

Lukas Linder, nominiert vom Kanton Schaffhausen. Auszug aus der Jurybegründung: »Die „Komischen", die uns in Lukas Linders Texten begegnen, werden vom Fluss eines Lebens, welches sie nicht zu verändern wissen, dahin getrieben. Und sie wissen die an ihnen vorbeiziehende, befremdliche Gegenwart mit ungeheuer pointierten, lakonischen Worten zu beschreiben und zu deuten. Scheinbar beiläufig verirren sie sich dabei in Dialoge von entwaffnender Ironie und brillantem Witz, als bliebe ihnen gar keine andere Möglichkeit, ihre Welt in Worte zu fassen. Und so finden sich in Lukas Linders Texten seltene Trouvaillen für Freunde gut geschriebener Komödien. „Keiner passt zu den Komischen". Umso wichtiger, dass diese „Komischen" in Lukas Linder einen Autor gefunden haben, der sie versteht, aufs Papier und letztlich auf die Bühne bringt.«

Wolfram Lotz, nominiert vom Land Baden-Württemberg. Auszug aus der Jurybegründung: »Wolfram-Lotz-Körper sprechen quer zum Lauf der Dinge. Sie sehen die Hindernisse und stolpern trotzdem. Der Skandal ist, dass sie ihn nicht vertuschen. Die dramatischen Mittel werden sozusagen aufgebraucht – voraus- und gleichsam abgesetzt, indem sie fast nur noch zitiert werden. Seit der Dichter Wolfram Lotz seine Arbeit aufnahm, macht er dem Theater zu schaffen. Es ist die Wucht des Indirekten, sogar Vorsichtigen, aber um nichts weniger Bestimmten, mit dem er alles Dramatische vor sich hertreibt, weil es ihn umtreibt. Als verziehe er dem Theater nicht, ihm verfallen zu sein.«

Christoph Nußbaumeder, nominiert vom Freistaat Bayern. Auszug aus der Jurybegründung: »Im „Fleischwerk" zeigt sich einmal mehr, was Nußbaumeders dramatisches Schaffen charakterisiert. Es sind die Sujets, deren Protagonisten die sogenannten „kleinen Leute" sind, die Benachteiligten, die Gefährdeten, die Scheiternden, die Außenseiter. Es ist eine radikale Sprache, die Einfachheit, Klarheit, Kraft und Poesie vereinigt, die einen süddeutschen Sound hat, aber keine Dialektsprache ist, die nie „tümelt" und nie im Milieu verhaftet ist – die das sozialkritische Drama vor Konventionalität schützt. Es ist der Klang der Zeitgenossenschaft, in dem die antiken Vorbilder nachhallen.«
 
Die Qualitäten Dramatischer Texte
Es sind verschiedene Zutaten, die die Qualität eines dramatischen Textes ausmachen. Sprachliche Qualität und dramaturgische Raffinesse waren für die Beurteilung der Texte ausschlaggebend, aber auch Rhythmus und Dynamik, mit der die Handlung vorangetrieben wird. Ebenso gewichtet wurden Glaubwürdigkeit und Authentizität der Figuren und die Dringlichkeit des Themas. Auch die Risikobereitschaft der Autorinnen und Autoren, Neues zu probieren oder noch Ungesichertes stehen zu lassen wurde im Hinblick auf den Fördergedanken des Preises berücksichtigt.
 
IBK-Förderpreise
Die Förderpreise der IBK werden seit 1991 jährlich in wechselnden Sparten verliehen. Es können maximal sieben Preise in der Höhe von jeweils 10.000 Schweizer Franken vergeben werden. Ausgezeichnet werden Personen im Alter bis zu 40 Jahren mit einem herausragenden Potential im jeweiligen Kulturbereich.
Verantwortlich für die Vergabe ist die Kommission Kultur der IBK. Durchgeführt wurde die diesjährige Jurierung vom Kanton Zürich. Den Juryvorsitz hatte Dr. Madeleine Herzog, Leiterin der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich.
Jedes Mitgliedsland der IBK – Baden-Württemberg, Bayern, Liechtenstein, Vorarlberg, die Kantone St.Gallen, Thurgau, Schaffhausen, Zürich sowie Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden zusammen – hat unter Beizug von ausgewiesenen Fachleuten maximal zwei Autorinnen und/oder Autoren Dramatischer Texte nominiert. Die Nominierten müssen einen Bezug zum jeweiligen Kanton oder Land aufweisen. Eine von den Mitgliedsländern und Mitgliedskantonen gewählte internationale Jury von neun ausgewiesenen Experten hat die Preisträgerinnen und Preisträger ausgewählt. Ihr gehörten an: Plinio Bachmann (Kanton Zürich), Prof. Hans-Jürgen Drescher (Freistaat Bayern), Andrea Gerster (Kanton Thurgau), Dr. Madeleine Herzog (Vorsitz, Kanton Zürich), Jonas Knecht (Kanton St.Gallen), Jens Lampater (Kanton Schaffhausen), Prof. Elisabeth Schweeger (Land Baden-Württemberg), Brigitta Soraperra (Land Vorarlberg), Peter Surber (Kantone Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden), Dr. Georg Tscholl (Fürstentum Liechtenstein).

Anlässlich der Preisverleihung ist eine Publikation mit biographischen Daten, Laudationen und Werkauszügen erschienen. Diese kann unter fachstellekultur@ji.zh.ch bestellt werden.
Über die Preisverleihung erscheint in den nächsten Tagen ein Video auf www.bodenseekonferenz.org
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